Willkommen bei Karin Streicher und Markus Schildhauer

Geschichten und Geschichte Aus dem Seemannsheim

Anlässlich des Jubiläums „55 Jahre Deutsche Seemannsmission im Seemannsheim“ hat Karin aus den Jahresberichten der Vorgänger Zitate zusammen geschrieben. Dies ergibt nicht nur einen Blickwinkel auf die DSM Arbeit, sondern auch auf die jüngere Geschichte Ägyptens

Der Plan, in Alexandrien mit dem zweitgrößten Hafen der südlichen Mittelmeerküste ein deutsches Seemannsheim, eine Stätte der Betreuung für deutsche Schiffsbesatzungen zu errichten, fällt bereits in das Jahr 1958 (Senatsdirektor Dr. Maas Vorstand Verein für Deutsche Seemannsheime e. V.). Ende 1959 konnte der Seemannsbetreuer entsandt werden.

Karl-Heinz Busch und Familie kommt am 5.11.1959 in Alexandrien an.

(Bemerkung von K.-H. Busch: Kern der deutschen Gemeinde in Alexandria sind Zehlendorfer Schwestern. Auch die Betreuung der Seeleute. 1958: 260 dt. Schiffe, davon 40 aus der DDR, fast 8000 Seeleute)

Für das erste Seemannsheim in Alexandrien wurde vom damaligen Konsul Jesser ein 3. Stöckiges Haus angemietet, in dessen mittlerer Etage außerdem ein deutsches Kulturinstitut und das Konsulat einzogen.

Danach vergingen Monate, bis nach mühevollen und schleppenden Verhandlungen mit den ägyptischen Behörden die Genehmigung zur Eröffnung eines Seemannsheims vorlag.

Neben den Heimabenden werden gemeinsame Unternehmungen außerhalb des Heims angeregt und durchgeführt

Die Hast der heutigen Schifffahrt bestimmt auch den Hafenbetrieb Alexandriens. Oftmals lässt sich beim besten Willen keine Zeit für einen Landgang aussparen. Umso mehr Wichtigkeit erhalten daher die Schiffsbesuche. Hier werden diejenigen erreicht, die das Heim nicht besuchen können oder wollen.

Die Beziehung zu ostdeutschen Schiffen, die mit durchschnittlich 5 Schiffen monatlich vertreten ist, müssen Erwähnung finden. Die anfänglichen Kontakte waren recht verheißungsvoll. Man zeigte sich offen für ein Gespräch, folgte -meistens in Begleitung eines Politoffiziers – der Einladung ins Heim und zeigte sich für ein gesamtdeutsches Beieinander durchaus aufgeschlossen. Sehr bald jedoch bekamen maßgebliche Kreise in der Ostzone Kenntnis von der Existenz des Heims und seinen gesamtdeutschen Bestrebungen und startete eine Gegenkampagne. „das der Gegner keine Mittel scheut, auch in ausländischen Häfen Einfluss unter unseren Seeleuten zu gewinnen“. Das Seemannsheim in Alexandrien wird als ein von westdeutscher Seite geschaffenes Unternehmen bezeichnet, dass dem Ziel dient, die Moral der Ostzonen Seeleuten zu untergraben und sie zur Republikflucht zu verleiten. Um nicht weiteren Verleumdungen Vorschub zu leisten, wurden die Schiffsbesuche abgebrochen und jede Kontaktnahme künftig vermieden. Der parteiamtliche Kommentar hat einschüchternd gewirkt, nur eine kleine Schar wagt es, dem Heim weiterhin die Treue zu halten.

1960

Die Nutzung des jetzigen Hauses zusammen mit dem dt. Kulturinstitutes erweist sich zu klein. Es wird nach einem geeigneten Objekt als Seemannsheim gesucht. Mietangebot einer Villa in zentraler Lage mit Garten, im englischen Landhausstil. 25, rue du Baron Alfred, Rond Point (Vermieterin Mrs. Freda de Zogheb, gebürtige Engländerin),

Die Lebensbedingungen der Europäer verschlechtern sich hier in Ägypten von Tag zu Tag. Im Zuge der Fortschreitenden Nationalisierung wird dem Nichtägypter die Existenzgrundlage mehr und mehr entzogen. Besonders schlimm wirkt sich das für die hier seit Generationen ansässigen Griechen und Italiener aus. Bisher lag Handel und Gewerbe hauptsächlich in ihren Händen. Das Alexandrien bisher eine durchaus europäisch geprägte Stadt war, so lässt sich unschwer erahnen, wie die soziologischen Veränderungen das Gesicht der Stadt schon nach einigen Jahren gewandelt haben werden. Wir, die wir hier gewissermaßen Gäste des Landes sind, haben bisher annehmbar leben können und werden wohl auch weiterhin erträgliche Lebensbedingungen vorfinden.

Die Zahl der ansässigen Deutschen verringert sich, dem Druck der hiesigen Vernationalisierungsbestrebungen weichend, zusehends. Von daher kann von einer Deutschen Kolonie in unserer Stadt nicht mehr gesprochen werden.

1961

Das Seemannsheim vermochte sein Dasein soweit zu publizieren, das es inzwischen zu einem festen Begriff geworden ist.

Grundsätzlich wurden alle Schiffe besucht. Überstieg die Liegezeit 2 Tage, so waren mehrere Besuche die Regel. In diesen Fällen steht die Heimbücherei zum Verleih an Bord zur Verfügung. Außerdem Tageszeitungen usw. der Bedarf kann jedoch bei weitem nicht gedeckt werden.

15.5.61 Besprechung im Konsulat der BRD in Alexandrien. Gegenstand der Besprechung war die Frage eines Eigentumserwerbs (Grundstück Nr. 25, rue Baron Alfred in Alexandrien). Das Konsulat der BRD in Alexandrien stellt einen förmlichen Antrag an das AA, mit dem die Genehmigung zum Grundstückserwerb durch die BRD erbeten werden soll. Es ist in diesem Fall vorgesehen, dass die BRD dem deutschen Seemannsheim in Alexandrien ein unentgeltliches Nutzungsrecht auf Grund einer Vereinbarung zwischen der BRD und dem Verein für deutsche Seemannsheime im Ausland e. V. einräumt.

1.8.61 Das AA und das Bundesverkehrsministerium sind mit dem Erwerb des Hauses und dem genannten Kaufpreis von ca. 50 000,00 DM einverstanden.

1962

Die erste Hälfte des Jahres war durch eine ansteigende Tendenz im Schiffverkehr gekennzeichnet. Vor allem die Monate des Kartoffel-Reis- und Baumwollexportes – März bis Mai – sorgten für einen regelrechten Ansturm dt. Schiffe, wie er sonst für den Hafen in Alex. sonst ungewöhnlich ist.

Ein Volkswagen Bus (7000 DM) konnte vom Heimleiter persönlich in Deutschland bestellt werden, 2 Schiffe des Nah-Ost Gemeinschaftsdienstes übernahmen den Transport und Ende November erfolgte die Übergabe in Alex. in den ersten Wochen seines Einsatzes hat der Bus sich schon vorzüglich bewährt und das Heim für manchen Gast erreichbar gemacht, der bisher den Anfahrweg scheute.

10.4.62 Telegramm . GRUNDSTUEKSKAUF GENEHMIGT BRIEF FOLGT  DR. MAAS

Trotz intensiver Bemühungen des Konsulats, die Erledigung der für den Ankauf des Seemannsheims notwendigen Formalitäten voranzutreiben, konnte der Kauf bisher noch nicht abgeschlossen werden. Eine sehr unerfreuliche Verzögerung ergab sich daraus, dass das Außenministerium der VAR, dem die Vollmachtsurkunde vom 25. Mai 1962 auf Wunsch der Verkäuferin zur Beglaubigung zugeleitet worden war, die entsprechende Verbalnote der Botschaft mit der anliegenden Urkunde verlegt hatte; erst nach wochenlangen Bemühungen konnten die Papiere wieder aufgefunden werden. Die Botschaft in Kairo hat während dieser Zeit immer wieder beim Außenministerium interveniert und auf die Dringlichkeit der Angelegenheit hingewiesen.

Wenn auch das Konsulat selbstverständlich weiterhin um möglichste Beschleunigung der Angelegenheit bemüht bleiben wird, so lässt sich dennoch angesichts der Schwerfälligkeit jeglicher Behördenarbeit im Lande leider schon heute voraussehen, dass der Eigentumswechsel nicht mehr vor dem 1. Oktober vollzogen sein wird.

am 11.12.1962 erfolgte der endgültige Abschluss des Kaufvertrages

Nach überwinden erheblicher Schwierigkeiten von seitens örtlicher Behörden erfolgte die Eigentumsübergabe kurz vor Jahresende. Damit ist das Gebäude des Seemannsheims dem etwaigen Zugriff ägyptischer Stellen entzogen und die Gewähr dafür geschaffen worden, dass die Betreuungsarbeit an deutschen Seeleuten ungestört weitergeführt werden kann.

Auf Wunsch des Senatsdirektor Dr. Maas (Vorstand Verein für Deutsche Seemannsheime im Ausland e. V.) soll das Deutsche Seemannsheim den Namen: Martin Behaim-Haus (Institut für Kultur im Ausland) erhalten, da großzügige Bücherspenden der Gesellschaft an das SMH übergeben werden. (Unter diesem Namen ist das Seemannsheim noch vielen in Alexandria bekannt.

1963 / 64

Der Hafen von Alex. hatte während des Berichtsjahres eine merkliche Einbuße an dt. Schiffseingängen zu verzeichnen. Die Ursache dieser rückläufigen Tendenz liegt einmal in der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage Ägyptens, die eine Drosselung des Imports aus der BRD zur Folge hatte und zum anderen im Zusammenschluss aller dt. Levante-Reedereien zum „Nahost-Gemeinschaftsdienst“, der einen rationelleren Einsatz der Schiffe ermöglicht.

Doch die Verringerung der Schiffseingänge führte in gleichen Maße zu einer Verlängerung der Liegezeiten auf durchschnittlich 4 Tage. Dieser Umstand hat sich auf die Betreuungsarbeit an den Besatzungsmitgliedern günstig ausgewirkt. Es konnten im Vergleich zum Vorjahr nicht nur doppelt so viele  Unternehmungen durchgeführt werden, sondern auch der Besuch des Seemannsheims um     50 % gesteigert werden.

1965 / 66

Die beim dt. Schiffsverkehr nach Alex. zu beobachtende rückläufige Tendenz muss fraglos auch im Zusammenhang mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen gesehen werden. Das entstandene Vakuum wurde unverzüglich durch DDR-Schiffe ausgefüllt. Seit Mitte des Jahres liegen etwa doppelt so viele ostdeutsche Schiffe im Hafen. Der Kontakt zu ostdeutschen Besatzungsmitgliedern erfuhr nach fünfjähriger Pause wieder eine gewisse Belebung. Die Beziehungen bleiben indes inoffiziell.

Die Betreuungsarbeit dt. Seeleute konnte unbeschadet durch die politische Entwicklung weitergeführt werden. Auf dem Höhepunkt der Krise wurde das Grundstück des Seemannsheims 2 Wochen lang unter polizeilicher Schutzaufsicht gestellt. Zusammenfassend kann wohl gesagt werden, dass das Seemannsheim bis jetzt für die deutsche Schifffahrt nach Alex. eine wichtige und von den Seeleuten erfreulich dankbar empfundene Funktion ausgeübt hat. Sollte in diesem Jahr eine weitere Einbuße an Schiffseingängen erfolgen, so wird allerdings die Frage gestellt werden müssen, ob der Ertrag noch in einem gesunden Verhältnis zum Aufwand steht. Bei Berücksichtigung der Labilität der politischen Lage im Vorderen Orient werden jedoch die Konsequenzen nicht vorschnell gezogen werden dürfen.

1967

  1. bis 10. Juni 1967 Sechsttagekrieg oder Junikrieg zwischen Israel und den arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien.

Vorgestern Abend lief die– Deutsche Transmarin in den Hafen ein um Ladung mitzunehmen. Gestern Mittag musste das Schiff den Hafen unverrichteter Dinge wieder verlassen: Die Hafenarbeiter hatten sich geweigert, dass „imperialistische zionistenfreundliche“ Schiff zu beladen! Ich selbst konnte nicht an Bord, da mir seit einer Woche die Einfahrt in den  Hafen verwehrt wird.

Der Hafen von Alexandrien bleibt, einer Erklärung autorisierter Stellen an das Konsulat zufolge, nach wie vor für westdeutsche Schiffe gesperrt.

Der Hafenausweis wird nicht erneuert.

Unter diesen Umständen sehe ich mich in der Ausübung meines so Auftrages behindert, dass mir ein weiteres Verbleiben hier nicht mehr als sinnvoll erscheinen kann.

20.9.67 die ordnungsgemäße Übergabe an Herrn Konsulatssekretär Höpfner, der die Kontroll- und Verwaltungsaufgaben kommissarisch weiterführen wird, erfolgte reibungslos. Es wurde daher mit dem Konsulat vereinbart, dass zweimal in der Woche Kontrollbesuche im Seemannheim gemacht werden. Der Heimdiener wurde verpflichtet, bei Weiterzahlung seines vollen Lohnes, das ganze Haus sauber zu halten und sich von Einbruch der Dunkelheit an bis zum Aufgang der Sonne unbedingt im Heim aufzuhalten, andernfalls er seine Stellung sofort verliert.

Ausreise mit dem Schiff am 9. September 1967

Wir sind der Auffassung, dass eine Entscheidung über die Zukunft des Heimes zur Zeit noch nicht getroffen werden kann, sondern dass wir die Entwicklung der Dinge in den nächsten Monaten abwarten sollten.

1969 Friedrich-Wilhelm Thürnau

Anstellungsvertrag ab 1. Januar 1969. Verkaufsvertrag VW Bus vom 22. Februar 1969. Ansonsten keine Unterlagen vorhanden.

Das Seemannsheim steht bis Januar 1973 leer.

(AA an das deutsche Konsulat) Mit Einvernehmen mit dem Fachverband Deutsche Seemannsmission e. V. Bremen ist das Auswärtige Amt damit einverstanden, dass das Gebäude des Deutschen Seemannsheimes in Alexandria während seiner Nichtbenutzung als Seemannsheim entsprechend dem dortigen Vorschlag vom 8. Januar 1973 vom Deutschen Kulturinstitut (Goethe Institut) in Alexandria benutzt wird.

-Sprachkurse

-Nähkurse mit Modenschau

-Theatergruppe (Aufführung im Museum der schönen Künste)

-Musikgruppe

-Oktoberfeste werden gefeiert

-Frauentreffen

-Bastelnachmittage für Kinder

1983

Evaluation durch Pfarrer Matthias Steinmann-Eberle. Dienstanweisung, in Alexandria die Informationen, dass im Vorstand der DSM Unklarheit über die Notwendigkeit und den Sinn einer Wideraufnahme der Arbeit im Hafen Alexandrias besteht.

Während der 6 Wochen in Alex. verfestigte sich mehr und mehr eine Vorstellung von sinnvoller  Seemannsarbeit, zugeschnitten auf die spezielle Situation in Alex.

Die genaue Auswertung über die Anläufe von Schiffen mit deutscher Besatzung ergibt im Durchschnitt, 29 Schiffe pro Tag (geht man auch davon aus, dass der Mitarbeiter der DSM in einem Teilauftrag die Betreuung der dt. Gemeinde (dt. Lehrer, Experten, Konsulatsangestellte, ca. 100 mit Ägyptern verheiratete Frauen und ca. 100 Facharbeiter) mit übernimmt, wäre er und das Behaim-Haus zur Genüge ausgelastet.

das ägyptische Außenministerium hat sich mit der Wiedereröffnung einverstanden erklärt.

1985 / 86 / 87 / 88

Einreise und Wiederaufnahme der Arbeit der Seemannsmission in Alexandria durch Rainer Tyrakowski – Freese mit Familie

das Deutsche Seemannsheim in Alexandria ist im November 1985 wiedereröffnet worden, nachdem das bundeseigene Gebäude gründlich renoviert und durch den Verein für Deutsche Seemannsheime im Ausland e. V. in Bremen neu ausgestattet wurde.

der Hafen ist für Deutsche Seeleute schon sehr chaotisch, so dass es für sie schon große Mühe macht manchmal überhaupt den Hafenausgang, das Hauptzolltor zu finden. Zudem ist der Hafen Sicherheitsgebiet mit den entsprechenden scharfen Polizei- und Sicherheitskontrollen.

Im vergangenen Jahr zeigte sich verstärkt die Notwendigkeit der Betreuung deutscher Seeleute in Alexandria. Der Hauptteil deutscher Schiffe die anlaufen, sind Containerschiffe, die Liniendienst fahren. Für diese Schiffe, die Nordeuropa und Mittelmeer oder Mittelmeer SO Asien / Australien bedienen, ist Alexandria der einzige Hafen auf einem mehrwöchigen Törn, an dem sie Hilfe, Informationen und Unterstützung durch eine deutsche Seemannsmission erhalten.

Wahrscheinlich wegen der entstanden Konkurrenz zum neuen Containerhafen in Damietta, hat sich die Lage im Hafen Alexandrias insofern geändert, als nunmehr fast „europäische Zustände“ eingeführt worden sind d. h. Lösch/Ladebetrieb, 7 Tage die Woche, 24. Std. tgl.. Wegen der dadurch verringerten Liegezeit deutscher Containerschiffe, oft unter 12 Stunden, hat sich für die Seeleute die Chance verringert, ihr Recht auf Landgang in Alex. Zu realisieren.  Für die Arbeit des Seemannsheims bedeutet dies, verstärkte Notwendigkeit Seeleute auf Containerschiffen auch in den späten Abendstunden zu besuchen, weil oft z. B. um 6.00 Uhr morgens bereits wieder ausgelaufen wird.

Die Stimmung hat sich auf vielen deutschen Schiffen sehr verschlechtert. (Nichtzahlung der vereinbarten Heuer, arbeitsrechtliche Vereinbarungen auf niedrigen Level, zunehmende bzw. drohende Ausflaggungen deutscher Schiffe, die Besatzung wird bis an die Sicherheitsgrenze reduziert).

Alexandria und die Kanalhäfen in Ägypten, haben bei deutschen Seeleuten einen schlechten Ruf, was die Abwicklung betrifft. Z. B. Postversendung werden nicht weitergeleitet, ärztliche Versorgung schlecht, anfrage nach Trinkgeldern, Geschenken usw. Eine Aufgabe für das Seemannsheim in Alexandria, die sich daraus ergibt, ist, Seeleuten die das denkbar schlechteste Bild von Ägypten und Ägyptern erfahren haben, die Chance zu geben, Ägypten als interessantes Land und Ägypter als freundliche Menschen gegenüber Fremden erleben zu können.

Der Zutritt zu Passagierschiffen ist noch immer nicht verbindlich geregelt, obwohl uns klar ist, dass unterhalb der „Traumschiff“ Oberfläche gerade auf Passagierschiffen die Arbeitsbedingungen sich verschärft haben und der Besuch des Seemannspastors sinnvoll erscheint.

Unmittelbarer Nähe des Seemannheims wird jetzt ein etwa 10 stöckiges Hochhaus errichtet. Dies bringt eine enorme zusätzliche Lärmbelästigung mit sich.

1989

Familie Tyrakowski – Freese kehrt nach Deutschland zurück. Ehepaar Busch übernimmt das Seemannsheim. Eine Rückkehr nach 22 Jahren (Aufbauarbeit von 1959 – 67)

(Rückblick und Veränderungen nach 22 Jahren) Geblieben ist die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der ägyptischen Menschen. Die täglich strahlende Sonne. Verändert hat sich fast alles. die Ausdehnung der Stadt in ost-westlicher Richtung hat sich verdoppelt. Der Verkehr auf den Straßen hat beängstigende Ausmaße angenommen, für den Außenstehenden das reinste Chaos und doch einem System unterworfen, das nur der Orientale begreift und akzeptiert. Der Levantiner als Ordnungsfaktor europäischen Zuschnitts ist aus dem Stadtbild verschwunden. Ägypter haben ihre Stadt in Besitz genommen. Nationales Selbstbewusstsein hat sich breitgemacht. Das Zentrum steht im Zeichen des Verfalls. doch: die Slums der 60er Jahre sind verschwunden.  Eine Unzahl neuer Moscheen zeugt von erwachten religiösen Bewusstsein. Akustisch ist der Islam jedenfalls allgegenwärtig. Alexandrien ist gleichzeitig europäisch und ägyptisch geworden.

Als sehr hilfreich für die so wichtige Kommunikation der Seeleute mit ihren Angehörigen hat sich die Installation einer internationalen Telefonverbindung erwiesen. So wurden im Zeitraum April bis Dezember über 200 Telefonate im Selbstwähldienst geführt.

Auf den deutschen und ausgeflaggten deutschen Schiffen richtet sich die Betreuung grundsätzlich an alle Besatzungsmitglieder.

Die jüngsten Umwälzungen in der DDR werden im kommenden Jahr vermutlich auch eine Ausweitung der Arbeit auf die Besatzung der DDR Schiffe haben. Bislang waren Kontakte bewusst vermieden worden, aus der Sorge heraus, den DDR Seeleuten könnten dadurch Nachteile entstehen. Diese Rücksichtnahme wird sich – so ist zu hoffen – schon in naher Zukunft als gegenstandslos erweisen.

1990

Wurde im Sachbericht 1989 noch die Erwartung geäußert, die Umwälzung in der damaligen DDR könnten eine Ausweitung der Arbeit auch auf die Besatzungen der DDR Schiffe bringen, so wurde das schon Wochen später Wirklichkeit. Bereits im Januar hatten sich die Besatzungen ihrer Politoffiziere entledigt und damit die ersehnt Freizügigkeit auch jenseits der Gangway erlangt.

1991 Hr. Busch geht in Ruhestand Familie Köhler übernimmt die Nachfolge / 92 / 93

Es war kaum ein Rückgang der Schiffsanläufe unter dt. Flagge und ausgeflaggter Schiffe während des Krieges von Januar bis März (Golfkrieg) festzustellen. Im Land wurden vermehrt Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Manche Schulen vorübergehend geschlossen und der Tourismus kam ganz zum Erliegen.

Der Besuch auf DSR-Schiffen (Deutsche Seereederei Rostock) gehört bereits zum festen Arbeitsprogramm. Das große Nachholbedürfnis ohne „Beobachtung“ einen Ausflug oder einen Besuch im Seemannsheim zu machen ist im Gästebuch nicht zu übersehen. Eine Besonderheit der DSR-Schiffe ist, dass es sich ausschließlich um dt. Besatzungen handelt, was laut Information auch so bleiben soll. Allerdings, der Anteil der DSR – Schiffe geht weiter zurück. Viele Seeleute sehen ihre Existenz durch das zukünftige Ausflaggen und dem Verkauf zahlreicher Schiffe gefährdet. Ihre Arbeitsplätze werden von „Billig Seeleuten“ aus den osteuropäischen und asiatischen Ländern eingenommen werden. Gerade sie brauchen in dieser schwierigen Umbruchsituation besonders Verständnis und Betreuung.

Um wichtige Korrespondenzen schneller erledigen zu können, wurde ein Telefax – Gerät angeschafft.

1994 /95

Der extremistische islamische Terrorismus hat den Tourismus fast lahmgelegt. Der Staat hat dadurch erhebliche Einkommensverluste. Beinahe wäre der Literatur Nobelpreisträger Naguib Mahfuz bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Anschlag auf Mubarak im Ausland.

Es kommen nur noch hin und wieder DSR Schiffe nach Alexandria. Inzwischen sind sie ausgeflaggt. Sie sind durch neue größere Schiffe mit 1700 Containern der Deutschen Nahost – Linie ersetzt worden. Die deutschen Seeleute werden zunehmend durch Seeleute aus Billigländern ersetzt. Die Arbeit ist hektischer, der Landgang seltener und die Zusammensetzung multinationaler geworden.

Zweistellig steigende Verbraucherpreise, während die Einkommen sich kaum erhöhen und somit für Unzufriedenheit in der Bevölkerung sorgt.

1996

Der Container – Bereich im neuen El Dachaila – Hafen wurde voll in Betrieb genommen. Die Container Stellfläche ist ca. 4 Mal größer als in Alexandria. durch die insgesamt 6 zur Verfügung stehenden Container Brücken wurde die Abfertigung erheblich beschleunigt. Der neue Hafen bedeutet für die Schiffsbesuche einen erheblich vergrößerten Zeitaufwand und längere Anfahrtswege.

Der Zwischenfall in Kairo, bei dem im Frühjahr 18 Touristen ums Leben kamen, sorgte erneut für Verunsicherung bei Ägypten Reisenden. Manche Kapitäne beantragen von vorn herein keine Landgangpässe, weil sie die Situation nicht einschätzen können. Seeleute sind monatelang auf dem engen Raum „Schiff“ eingepfercht und brauchen in der Arbeitshektik dringend Tapetenwechsel und menschlichen Kontakt. Der Besuch des Seemannspastors auf dem Schiff, die Einladung ins Haus und der Ausflug in die Stadt oder nach Kairo, sollen dazu beitragen, die Seeleute aus ihre Isolation herauszuholen und ihnen für kurze Zeit ein Stück „normales Leben“ zu ermöglichen.

1997 / 98

Das Massaker in Luxor hat entsetzliche Spuren hinterlassen. Viele Ägypter sind geschockt und bedauern dieses Attentat. Der Tourismus ist drastisch zurückgegangen. Fast alle Reisen wurden abgesagt. Viele Hotels stehen leer und die Beschäftigten werden nach Hause geschickt. Das Land steckt in der Krise. Der islamische Extremismus ist noch nicht überwunden.

Tourismusflaute nach Massaker in Luxor. Die beiden Häfen in Alexandria florieren unvermindert. Als Sicherheitsmaßnahmen wurden jedoch die  Hafen  Jahresgenehmigungen für das gesamte diplomatische Personal gestrichen. Man erhält jetzt nur noch wochenweise den Zugang zum Hafen. Dies betrifft auch das Seemannsheim, was speziell hier eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeit bedeutet. Die Beantragung der Genehmigungen ist eine umständliche und zeitraubende Schikane für die Ausländer geworden.

Alexandria hat trotz der beginnenden Privatisierung immer noch des Ruf des „Marlboro –Hafens“. die Hafenangestellten und Behörden nützen jede Gelegenheit um aus jeder Situation Profit zu schlagen, um damit Marlboro – Schachteln zu erpressen. Die Kapitäne sind immer wieder dankbar für sachliche Informationen, um die Vorgänge entsprechend einordnen zu können.

Da seit Herbst das dt. Generalkonsulat Alexandria geschlossen ist, müssen alle dienstlichen Angelegenheiten direkt bei der dt. Botschaft in Kairo erledigt werden. Zum anderen besteht dadurch für das Seemannsheim als einzige dt. Vertretung im Hafen ein größerer Verantwortungsbereich, wie z. B.  bei Notfällen.

2000

Alexandria erlebte im Herbst einen vorher nie dagewesenen Boom an Passagierschiffen. Da die Schiffe aus Sicherheitsgründen  nicht mehr nach Haifa fuhren, kamen sie in großer Zahl nach Ägypten.

Der ägyptische Staat hatte, bedingt durch den teuren Dollar, keine harten Währungen mehr zur Verfügung. Dies hatte zur Folge, dass im Sommer der Hafenbetrieb merklich nachließ. Da die Importe nicht mehr bezahlt werden konnten. Im Spätherbst beruhigte sich der Devisenmarkt etwas und der Schiffsanlauf nahm wieder zu.

Die Anzahl der Seeleute, die mit ins Seemannsheim kommen, hat sich verringert, da die einzelnen Gruppen kleiner werden. So können anstatt z. B. acht Seeleute nur ein oder zwei von Bord gehen, da sie im Schichtdienst unabkömmlich sind von den nur kurze Zeit im Hafen liegenden Containerschiffen kann meistens keiner an Land, sind aber für den Besuch an Bord dankbar. Der Aufwand und die Notwendigkeit des Landgangs für die Einzelnen ist jedoch weiterhin wichtig und

2001

Vor und nach dem 11. September? in Gesprächen mit Einheimischen kommt immer wieder zum Ausdruck, wie dieses Ereignis das Verhältnis der Staaten, Religionen und Kulturen zueinander beeinflusst hat. Es ist offensichtlich, dass der Staat große Anstrengungen unternimmt, um die Sicherheit der Ausländer zu gewährleisten. Deshalb ist es auch für Seeleute weiterhin möglich ohne Bedenken an Land zu gehen. Dieses Datum hat auch eine Auswirkung auf die Schifffahrt, insbesondere in der Mittelost – Region. Während kurz danach die Schiffe noch nach Plan kamen, änderte sich das mit dem Beginn der militärischen Handlungen mehr und mehr.

Gerade in dieser unsicheren Zeit und Situation, sind die Seeleute für Besuche und Informationen dankbar. Auch wenn sie nicht mit an Land können, nehmen sie gerne die Mobilfunknummer des Dt. Seemannsheims in Anspruch, um hier einen Ansprechpartner vor Ort rund um die Uhr zu haben.

Schon seit über einem Jahr legen weniger europäische Schiffe an. das wurde zunächst mit dem hohen Dollarkurs erklärt, auf Grund dessen nicht mehr so viele teure Auslandsprodukte importiert werden konnten. Aber in der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, dass sich die ägyptische Wirtschaft in einer Rezession befindet. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Wirtschaftslage entwickelt und welchen Einfluss dies auf den Schifanlauf, insbesondere dem der dt. und europäischen Schiffe haben wird.

Ab Mitte 2002 erhielt ich wieder eine Jahres – Hafengenehmigung, wie es vor 1997 der Fall war. Damit hat die fünf Jahre währende wöchentliche Ausstellung, die jeweils einen Arbeitstag in Anspruch nahm, ein Ende.

Der Krisenherd Naher Osten scheint nicht zur Ruhe zu kommen. Man hat den Eindruck auf einem Vulkan zu leben, der jederzeit ausbrechen und explodieren könnte. Im Frühjahr gab es in Kairo und Alexandria Demonstrationen und Ausschreitungen wegen der gespannten Situation in Palästina. In Alexandria versuchten die Demonstranten das amerikanische Kulturzentrum zu stürmen. Bei der Auseinandersetzung mit der Polizei kamen mehrere Personen auf beiden Seiten ums Leben.

Inzwischen kam die Spannung eines drohenden Irak – Kriegs dazu, welcher bereits im Vorfeld auf die ganze Region destabilisierende Auswirkungen hat. Dazu kommen wirtschaftliche Probleme

2003 /04

durch die Fertigstellung der Bibliothek von Alexandria, ist die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wieder von neuem auf diese antike Stadt gerichtet. Die antike Vergangenheit liegt buchstäblich unter der Stadt begraben und kann nur noch erahnt werden. Beim Bau der Bibliothek kamen beim Ausgraben der Fundamente wunderschöne Mosaike und Statuen aus der griechischen Zeit zum Vorschein. Für diese Fundstücke wurde eigens ein kleines Museum innerhalb der Bibliothek eingerichtet. Mitten im Kampf ums Überleben, ist, trotz allem wieder so etwas wie Geschichtsbewusstsein zurückgekehrt. Eine Gruppe ist bereits als Dauergast vertreten: Die Seeleute. Wenn ich mit ihnen Einkaufsfahrten mache, ist das alte Alexandria häufig ein Thema, da nebenbei besprochen wird. Mit anderen unternehme ich eine ausschließliche Tour auf der Spurensuche nach der Vergangenheit: Katakomben, römisches Theater Museum, Alexanderhafen, Bibliothek, usw.

Die Wohnqualität wird immer mehr durch das Aufrichten von neuen Hochhäusern gemindert. Jeder noch freie Fleck wird bebaut. Es bleibt kaum mehr Platz für einen Baum oder gar einem Spielplatz für Kinder. Villen und kleinen Häuser werden abgerissen und an deren Stelle „Wohnsilos“ errichtet. Die Bauwirtschaft befindet sich im Wettlauf mit der Bevölkerungsexplosion, um den Anforderungen gerecht zu werden.

Der Rückgang der Weltkonjunktur macht sich zunehmend bemerkbar. Dazu kommt, dass Ägypten vom Tourismus abhängig ist. Der 11. September und der Irakkrieg im Berichtsjahr haben verheerende Spuren hinterlassen: Rückgang des Tourismus und damit auch Rückgang der Konjunktur.  Dazu kommt noch das Problem der Devisen. Das ägyptische Pfund hat gegenüber dem Euro und US Dollar stark verloren. Diese Währungen können in den Banken nicht mehr ausreichend erworben werden. So geschieht es, dass die lokalen Empfänger nicht in der Lage sind zu bezahlen da keine Devisen vorhanden sind. Im Land hat die Inflation stark zugenommen. Manche Artikel sind um bis zu 100 % teurer geworden, vor allem wenn sie in irgendeiner Weise mit Import aus dem Ausland zusammenhängen. Die erhöhten Preise lassen sich für Deviseninhaber durch den gestiegenen Umtauschkurs teilweise ausgleichen. Für die Einheimischen sind viele Dinge jedoch unbezahlbar teuer geworden.

Aus Sicherheitsgründen, die bis jetzt nicht zu erklären sind, ist es philippinischen Seeleuten seit ein paar Monaten nicht mehr erlaubt, in Alexandria an Land zu gehen. Das hat besonders ein Schiff hart getroffen, das nur zwischen Alexandria und einem italienischen Hafen verkehrt, in dem Landgang von der Lage her ungeeignet ist. Alexandria ist für sie also die einzige Möglichkeit, vom Schiff zu gehen. Das heißt für die gerade angemusterten Filipinos, für die nächsten 12 Monate das Schiff nicht mehr verlassen zu können. Die Filipinos sind gerade in dieser Situation dankbar für Besuche, Gespräche, Informationen und Zeitungen.

seit dem 1. Juli 2004 sind die Regeln des „international Ship and Port Security Codes“ weltweit in Kraft getreten. Damit wird, zum einen der Landgang der Besatzung und zum anderen der Zugang von Besuchern zum Schiff genau überwacht und kontrolliert. Es soll verhindert werden, dass durch ein Schiff, dessen Besatzung oder Besuchern terroristische Tätigkeiten ausgeübt werden können. Zugang zum Hafen hatte zuvor und jetzt, nur jemand, der im Besitz eines schwer zu erlangenden Hafenausweises ist. Wer ein Schiff besuchen will, braucht zudem eine gesonderte Schiffgenehmigung.

Auf der anderen Seite ist es für die Seeleute schwierig geworden, Landgangpässe zu bekommen. Je kürzer die Hafen- Liegezeiten werden, je schwieriger es wird das Schiff zu verlassen, desto wichtiger sind die Besuche an Bord geworden, wo man sich über dies und jedes austauschen kann. Bei allen Einschränkungen ist es etwas Besonderes, das Schiff einmal ein paar Stunden hinter sich zu lassen und etwas anderes zu sehen und zu erleben.

Der Schiffsanlauf hat im Berichtsjahr wieder zugenommen. Die ägyptische Wirtschaft scheint sich langsam wieder zu erholen.

2005

Was für viele Jahre unmöglich erschien, ist im Berichtsjahr umgesetzt worden: der Alexandria- und El Dachaila Hafen werden grundlegend erneuert. Zunächst erhielten beide Häfen je ein gigantisches Hafenportal, das an pharaonische und römische Duplikate erinnert, vielleicht sogar in den Schatten stellt. Fährt man nach dem Eingangstor etwas weiter, stellt man sogleich den Grund des Sinneswandels fest: Alexandria erhält ein modernes Terminal für Passagierschiffe. Geplant ist auch eine neue Eisenbahnlinie, vom Passagierterminal direkt zu den Pyramiden bei Kairo, entlang der Dessert Road. Erscheint zwar etwas utopisch, aber wer weiß….?

Der Fortschritt in der Kommunikationstechnik hat auch vor den Toren Ägyptens nicht Halt gemacht. im Seemannsheim wurde ein Zimmer mit ADSL eingerichtet. Es stehen ein Computer und eine internationale Telefonlinie zur Verfügung. Zwar besteht auch auf zahlreichen Schiffen eine Internetverbindung, aber jedoch oft in eingeschränktem Umfang. So können Mails nur empfangen werden, aber nicht gesendet. Downloads sind entweder zu teuer oder gar nicht möglich

2006

in Ägypten gab es einen verheerenden Anschlag in Dahab im Ost – Sinai.

2007 / 08 / 09

Nach siebzehnjähriger Arbeit in einem nicht einfachen kulturellen Kontext haben Walter und Karin Köhler die Arbeit an Reinhard und Birgit Hämmerle mit Familie übergeben.

Renovation und Neugestaltung des Seemannsheims.

Um Zugang zum Hafen zu erhalten, benötige ich eine Sondergenehmigung vom Außenministerium, die von der deutschen Botschaft beantragt wird. Dieser Antrag kann aber nur im November des Vorjahres gestellt werden.  Erst Mitte April hatte ich den notwendigen Zustimmungsbrief vom ägyptischen Außenministerium für Monatsgenehmigungen. Dieser wird durch die deutsche Botschaft beantragt. Letztlich wurde dieser Brief nur durch den persönlichen Einsatz des Botschafters ausgestellt.

In der heutigen Zeit wird für die Seeleute der Zugang zum Internet immer wichtiger. Gerne kommen Seeleute mit ins Seemannsheim, um im Internet zu surfen.

2010

Nachdem die Nachfrage nach mobilen Internet mehr und mehr steigt, habe ich nun angefangen während meiner Schiffsbesuche mobiles Internet an die Seeleute zu vermieten.

Mitte Dezember suchte Alexandria ein schwerer Sturm mit 60 Knoten heim. Es war der schwerste Sturm seit Jahrzehnten. Er wurde einem italienischen Ro-Ro-Schiff zum Verhängnis. Schon 50 Meilen vor der Küste fiel die Maschine aus und es hatte durch Ladungsverluste Schlagseite. Beim Schleppen in den Hafen lief es am Hafeneingang auf Grund. Glücklicherweise konnte die komplette Besatzung gerettet werden.

Die Neujahrsnacht wurde von einem schlimmen Bombenanaschlag mit islamistischen Hintergrund auf eine sehr stark besuchte koptische Kirche überschattet. Es fanden mindestens 23 Menschen den Tod und fast 100 zum Teil Schwerstverletzte. Dies führte zu Protesten und Demonstrationen koptischer Christen im ganzen Land.

2011

Offiziell begann die Revolution mit ersten Demonstrationen am Donnerstag den 25. Januar, dem Tag der Polizei in Ägypten. Für Freitag waren große Demonstrationen nach dem Gebet angekündigt. Die Regierung hatte das Internet und Mobilfunknetz abschalten lassen

Riesige Demonstrationszüge trafen auf starke Polizeikräfte und hatten heftige Auseinandersetzungen zur Folge. Es wurden viele Polizeistationen angegriffen und in Brand gesteckt. Gleichzeitig wurden alle Polizeikräfte zurückgezogen. Dies führte zu ausgedehnten Plünderungen in der ganzen Stadt, worauf die Armee noch in der Nacht mit Panzern strategische Orte Stellung bezog. Hamsterkäufe setzten schnell ein und erste Produkte waren schon knapp. Außerdem legten ausgedehnte Ausgangssperren das öffentliche Leben lahm.

Das Gefängnis hinter dem Seemannsheim konnte glücklicherweise nicht befreit werden, auch wenn es wohl am Samstagvormittag versucht wurde. Andere Gefängnisse im Land waren aber befreit worden, sodass hunderte Kriminelle plötzlich ihr Unwesen treiben konnten.

Wegen der schwierigen Sicherheitslage und dem völligen Zusammenbruch des öffentlichen Verkehrs war eine eventuelle Evakuierung über Kairo unmöglich geworden. Es wurde eine Evakuierungsflug von Alexandria aus organisiert. wir hinterließen das Seemannsheim in der Obhut der ägyptischen Angestellten. Gleichzeitig mussten wir uns auf eine Plünderung gefasst machen.

Der Rücktritt von Mubarak am 11. Februar beruhigte die Lage. So waren wir am 20. Februar wieder zurück und fanden das Seemannsheim wohlbehalten vor. Auch wenn die Lage im Großen und Ganzen ruhig und stabil war, funktionierte das tägliche Leben noch nicht reibungslos. Allerdings war der Betrieb im Hafen mehr oder weniger normal.

Die Umwälzungen in den arabischen Ländern hatte auch Auswirkungen auf die Schifffahrt. Manche Häfen konnten zeitweise nicht angelaufen werden. Andere wiederrum mussten mit Hilfsgütern in gefährliche Wasser fahren.

Durch die Revolution bedingt und den Bedenken wegen der Sicherheitslage im Land, hatten leider bis Juni nur sehr wenige Seeleute den Mut ins Seemannsheim zu kommen. Erst wieder in der Weihnachtszeit konnte ich mehrere dt. Seeleute ins Heim und aus Ausflüge an Land mitnehmen.

2012

Schon seit längerer Zeit wurde an einem Gasleitungsnetz in unserem Bezirk gearbeitet. Allerdings war dafür erst ein Vertrag zu abzuschließen. Dafür war wiederum ein Besitznachweis des Seemannsheims notwendig. Nachdem zu meiner Überraschung, weder in meinen Unterlagen noch in der Geschäftsstelle in Bremen offizielle Papiere aufzufinden waren, kontaktierte ich die Botschaft. Der zuständige neue Verwaltungsleiter, war völlig überrascht, dass da ein Seemannsheim existiert und dieses auch noch eine Liegenschaft der Bundesrepublik sein soll.

Zunächst wurde die letzte Phase der Parlamentswahlen durchgeführt mit einem letztlich doch überraschenden Ergebnis. Zwar hatten alle mit einer großen Zustimmung für die Parteien der Muslimbrüder, jedoch nicht mit einer Quote von insgesamt 70 %.

Im Mai kam es endlich zur Präsidentenwahl. Keiner hatte allerdings erwartet, dass es eine Stichwahl zwischen einem ausgeprägten Islamisten und einem Vertreter der vorigen Regimes werden würde. So wählten viele Vertreter der eher säkularen Revolutionsjugend Mohamed Mursi, da sie von ihm noch eher eine politische Entwicklung im Sinne der Revolution erwarteten. Die Wahlbeteiligung lag unter 50 %. Mursi gewann die Wahlen nur knapp und es brauchte mehrere Tage bis das Militär ihn überhaupt zum Gewinner erklärte.

Seit der Revolution wird in einem atemberaubenden Tempo eine Villa nach der anderen ein Opfer der Abrissbirnen. Eigentlich ist ein Abriss von Villen in Alexandria verboten. Doch seit der Revolution werden einfach Tatsachen geschaffen.

Mehrere Baustellen sind nun gleichzeitig um uns herum in Betrieb, was viel Dreck und Lärm, aber auch plötzlich blockierte Zufahrtsstraßen bedeutet. Der Müll wird auch nicht mehr regelmäßig abgefahren, so entstehen Müllberge mitten Wohngebieten, die dann einfach teilweise verbrannt werden.

Weiterhin wurde das Gefängnis, das hinter dem Seemannsheim über der Hauptverkehrsbahnlinie, buchstäblich in Rufnähe liegt, wieder in Betrieb genommen. Dies hat nun einen Besucherstrom zur Folge, die den Kontakt durch lautes Rufen mit den Gefangenen suchen. So ist zum Zuglärm nun noch diese weitere Belästigung zu allen Tages- und Nachtzeiten hinzugekommen.

2013

Dieses Jahr hat zumindest politisch das letzte Jahr wieder getoppt, indem Ende Juni die Revolution 2.0 geschah. Die Unzufriedenheit der Menschen mit der Präsidentschaft Mursis wurde von Woche zu Woche größer, da es mit dem Land steil bergab ging. Viele Strom- und Wasserausfälle in manchen Stadtteilen und Benzinknappheit waren vielleicht die auffälligsten Merkmale. Doch generell verschlechterte sich die Wirtschaftslage dramatisch, was vielen den Job kostete. Bei gleichzeitigen, heftigen Preissteigerungen eine ungute Gemengenlage. Außerdem wurden Einschränkungen in der Pressefreiheit, gewaltsames Vorgehen gegen Demonstranten und extreme religiöse Gesetze immer mehr zum Problem.

Am Jahrestag der Präsidentschaft Mursis, gingen Tausende gegen ihn auf die Straße, mehr noch als während der Revolution gegen Mubarak. Nachdem die Lage eskalierte und Mursi jegliche Bereitschaft zu einem Kompromiss vermissen ließ, sah sich die Armee gezwungen einzuschreiten. im Gegensatz zur allgemeinen westlichen Haltung begrüßten eine deutliche Mehrheit der Ägypter das Eingreifen der Armee und sehen darin keinen Militärcoup oder kein Ende der Demokratisierung. Außerdem hat die Gewalt gegen Christen, besonders in Oberägypten stark zugenommen, da diese weiche Ziele sind und zudem den Sturz Mursis befürwortet haben.

Bis zum Sommer nächsten Jahres soll ein neues Parlament und danach ein neuer Präsident gewählt sein. Viele Ägypter sehen in Al Sisi, dem Armeechef, den wahren, neuen Präsidenten.

Wegen der anhaltenden Unruhen und instabilen Lage kommen Seeleute so gut wie nicht mehr an Land. Oft fühlen sie sich für einen Landgang sowieso nicht sicher genug. Doch auch die Reedereien, Schiffsagenturen oder gar der Kapitän verbieten den Landgang generell, sodass schon die Landgangerlaubnis gar nicht eingeholt wird. Diese ist aber hier in Alexandria absolut notwendig. Insofern hatten wir fast keine Seeleute in diesem Jahr zu Gast. Auch andere Gäste bleiben dieser Tage praktisch aus.

Zudem hat sich mit der Möglichkeit mit einem Internetmodem direkt auf dem Schiff ins Internet zu kommen, ein wichtiger Aspekt für den Besuch im Seemannsheim erübrigt. Auch Telefonanrufe können mit Telefonkarten sehr kostengünstig vom eigenen Handy aus erledigt werden. So werden durch die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten die Schiffe mehr und mehr zu schwimmenden Gefängnissen.

2014 / 15

Seit September arbeiten nun Markus Schildhauer und Karin Streicher im Seemannsheim. Nachdem die Botschaft in Kairo beim Amtsantritt noch einmal ausdrücklich erklärt hatte, dass die Fortführung des Status als nichttechnisches Personal nicht weiter fortgeführt wird, versuchen wir nun andere Lösungen zu finden. Ohne der Veränderung des Status sehen wir im Moment noch keine wirkliche Lösung um den Erhalt der Station und dem eigentlichen Auftrag nachzukommen.

Im Dezember erhielt ich von der Botschaft den Anruf, in dem mir mitgeteilt wurde, dass der Status nun doch wieder erteilt werden dürfe.

Leider dürfen Seeleute nach wie vor, bis auf wenige Ausnahmen das Hafengelände oder sogar das Schiff, nicht verlassen und dies wird voraussichtlich auch in der Zukunft so bleiben. Daher findet im Moment meine Arbeit, wenn überhaupt via Telefon statt. ich merke zunehmend, dass die Hilfesuchenden meistens die gleichen zwei Ängste beschäftigt. Die Flüchtlingsproblematik im Mittelmeer und die noch weiter vorherrschende Piraterie im arabischen Golf. Auch wenn die Medien nicht mehr davon berichten, scheint dennoch die Bedrohung dort weiterhin zu bestehen, bzw. fährt grundsätzlich bei den Seeleuten die Angst mit.

Der Besuch von Seeleuten im Seemannsheim wäre sehr wünschenswert, doch habe ich auch für die Zukunft nur eine sehr beschränkte Hoffnung.

Im November sind zum ersten Mal seit 4 Jahren wieder Kreuzfahrtschiffe in Alexandria angekommen.

Die politische Situation im Land ist schwer einzuschätzen. Mittlerweilen ist das Land politisch beruhigt.

Die wirtschaftliche Entwicklung unterliegt großen Problemen. Eine Inflation von rund 30 % im vergangenen Jahr ließ die Lebenshaltungskosten massiv steigen. Hoffnungsträger der Wirtschaft im Lande ist der Tourismus, der aber durch die schlechten Nachrichten dieses Jahr nahezu komplett zusammengebrochen ist. Das Großprojekt neuer Suez Kanal wurde zwar in diesem Jahr fertiggestellt, doch brachte es bisher nicht die gewünschten Mehreinnahmen, die eine Steigerung der Wirtschaft als Grundlage benötigt.

Die Besuche an Bord werden von den Seeleuten sehr positiv aufgenommen. Auffallend ist, dass meine Verweildauer auf den Schiffen wegen sehr intensiven Gesprächen sehr lange ist und auch regelmäßig Andachten etc. gewünscht werden. Wichtige Themen bei den Gesprächen an Bord, ist die Problematik mit erlebten oder befürchteten Flüchtlingsbegegnungen.

Das Seemannsheim mit seinem Garten, verliert nach und nach seine Lebens- und Wohnqualität, die von den Besuchern sehr geschätzt und genossen wird, durch Verkäufe und Abrisse der umliegenden Häuser. Das Nachbarhaus wurde mittlerweile abgerissen und die Baugrube bereits für ein 12. Stöckiges Hochhaus ausgehoben.

2016

ist das Jahr der Wirtschaftskrise in Ägypten. Durch terroristische Anschläge ist der Tourismus komplett zusammengebrochen. Mehr al 30 % des Volks- und Deviseneinkommens fehlen. Mehr als 8 Millionen Menschen habe die Arbeit verloren. Ab dem Sommer wurden die Devisen immer knapper. Der Wechselkurs auf dem Schwarzmarkt erreichte nahezu das Doppelte vom offiziellen Kurs und die Wirtschaft kam aufgrund fehlender Devisen fast zum Erliegen. Der Mangel wurde auch bei der Bevölkerung vermehrt spürbar. Zuerst fehlte das Grundnahrungsmittel Zucker, schon bald Importwaren und Arzneimittel. Als dann Reis und Öl  immer schwieriger zu bekommen waren, entstand doch eine größere Unruhe im Lande. Dies konnte dann durch Verhandlungen mit dem IWF, der einen an strenge Bedingungen geknüpften 12 Milliarden Dollar Kredit gewährte, in Teilen aufgefangen werden. Diese Bedingungen treffen jedoch besonders die arme Bevölkerung bzw. machen sie dazu. Eine wesentliche Forderung war die Freigabe der lokalen Währung. Dadurch verdoppelte sich der Kaufpreis des Dollars und viele Preise mussten angehoben werden. Die offizielle Teuerungsrate für 2016 beträgt 29 %. Die Armutsrate im Land erreicht ungeahnte Höhen. Offiziell betrug sie im Sommer 2016 28 % und mit einer Steigerung ist zu rechnen.

2017

Am 23. März Feierlichkeiten zum 55. Jahrestag. 1962 Erwerb der Villa durch die Bundesrepublik Deutschland