Willkommen bei Karin Streicher und Markus Schildhauer

Seeleute im Dilemma – Flucht im Mittelmeer

Heute hat die Seemannsmission eine neue Pressemitteilung versendet, die ihr am Ende dieses Textes finden werdet. Vielleicht vorne weg ein paar Worte dazu:

Seeleute sind grundsätzlich verpflichtet, jedem Menschen, der in Not ist auf See zu helfen, völlig unabhängig der Situation. Aber im Moment hat sich die Politik in der westlichen europäischen Welt sehr zum Nachteil verändert. Das bedeutet, in dem Moment, wo der Seemann einen Schutzsuchenden, der über das Mittelmeer nach Europa möchte an Bord nimmt, wird er kriminalisiert. In Italien werden Schiffe und Besatzungsmitglieder festgehalten. Gut in Erinnerung dürften uns die Bilder aus den Nachrichten über die Sea Watch oder das in Italien über eine Woche festgehaltene Maersk Schiff sein. Kapitäne und Seeleute werden als Schlepper angeklagt.

In den Gesprächen an Bord berichten die Seeleute immer mehr von diesem Dilemma. Sie wissen nicht, was sie machen sollen. Sie wollen ja helfen und werden am Ende durch die Regierungen alleine gelassen. Ganz egal, wie man zum Thema Flucht steht – dies darf nicht auf dem Rücken von eigentlich Unbeteiligten ausgetragen werden.

Europa hat geschafft, dass die Überfahrt nach Italien ganz massiv zurück gegangen ist. Dies durch Unterstützung von zwielichtigen Strukturen, die mit europäischem Geld Schutzsuchende in Libyen von der Überfahrt abhalten. Doch die Menschen leben dort – nur unter Umständen, die wir uns lieber nicht vorstellen wollen – Menschen und Organhandel , Gewalt und tägliches Sterben sind in Lagern in Libyern ganz normal und wir nehmen das einfach so hin!

Wer sich mit meinen Zeilen nicht einverstanden erklärt – dem biete ich eine Diskussion per Email an. Schreibt mir, wenn ihr meint.

Bremen, 16.10.2018

1800 Ertrunkene sind zu viel!

Pressemitteilung der Deutschen Seemannsmission e.V. Bremen

Fast 1800 Menschen sind bereits dieses Jahr im Mittelmeer ertrunken. Die aktuellen Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind erschreckend. „Dieses Drama hat auch Auswirkungen, die der deutschen Bevölkerung nicht bewusst sind,“ so Dr. Clara Schlaich, Präsidentin der Deutschen Seemannsmission e.V. in Bremen.

„Wir befürchten, dass durch die veränderte politische Situation in einigen Mittelmeeranrainerstaaten, vor allem in Italien, die Handelsschifffahrt wie bereits vor einigen Jahren wieder verstärkt mit der Rettung Hilfesuchender konfrontiert wird,“ so Clara Schlaich. „Doch diesmal werden sie von der Politik alleingelassen“:

Die Seeleute befinden sich lt. Schlaich in einem ethischen Dilemma: Sie sind nach internationalen Seefahrtsgesetzen verpflichtet, jedem in Seenot geratenen Menschen zu helfen. Tun sie das, führt die veränderte Politik jedoch dazu, dass sie möglicherweise kriminalisiert und ggf. sogar verhaftet werden. In Italien werden Schiffe mit Hilfesuchenden an Bord festgehalten, und die Kapitäne, bzw. Mannschaftsmitglieder als angebliche Schlepper angeklagt. Retten sie auf hoher See nicht, leiden Kapitäne und Mannschaften unter massiven Schuldgefühlen und setzen sich der möglichen Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung aus.

„Ich bin sehr davon beeindruckt, dass sich einige Reedereien in Deutschland trotz der veränderten politischen Lage dazu entschlossen haben, Hilfsgüter zur Versorgung von Geflüchteten an Bord mitzuführen, wie Regenplanen, Wärmedecken, Wasserkanister, Hygieneartikel und Medikamente und mit ihren Crews das Verhalten im Falle der Flüchtlingsrettung an Bord planen. Sie setzen damit ein klares Signal für Humanität!“ so Schlaich.

In den Seemannstationen rund um das Mittelmeer erfahren die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter, dass Seeleute wieder vermehrt mit Flüchtenden, im Meer treibenden Leichen und deren persönlichen Gegenständen konfrontiert sind. Das sind belastende Erlebnisse für Seeleute, die nicht alle verkraften. Hinzu kommt, dass auf See oft Gesprächspartner fehlen, die helfen könnten, um das Gesehene zu verarbeiten.

Die Deutschen Seemannsmission e.V. fordert sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Union auf, sofort verbindliche Regelungen zu finden, die die Handelsschifffahrt bei der Bergung von Schutzsuchenden entkriminalisiert und klare Bestimmungen für die Übergabe der Geretteten zu vereinbaren.

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Ziel der Deutschen Seemannsmission (DSM) – einer Einrichtung der Evangelischen Kirche Deutschlands – ist, weltweit die Würde der Seeleute zu unterstützen. Die DSM verfügt mit 16 Auslandsstationen und 16 Stationen in Deutschland über ein eigenes internationales Netzwerk.

Mehr als 700 haupt- und ehrenamtliche Frauen und Männer stellen sich den Herausforderungen und Veränderungen in der Seeschifffahrt täglich neu.

Herausgeber:
Deutsche Seemannsmission e.V.