Willkommen bei Karin Streicher und Markus Schildhauer

Die Engel der Armen

Die Engel der Armen

7 Uhr früh – die Ersten stehen schon vor der Eingangstür der Krankenstation und warten, dass sie eingelassen werden. Die Krankenstation der Schwestern des Ordens der Borromäerinnen im Stadtteil Maadi von Kairo gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Versorgt werden hier die Ärmsten der Stadt, die hier kostenlos behandelt werden. Dies ganz egal, welcher Religion sie angehören. Zum Teil kommen die Kranken von weit her, also nicht nur aus Kairo, denn diese Station ist in Ägypten einzigartig.

Schwester Petra führt uns durch die Station, die mittlerweile schon gut gefüllt ist. Sie erzählt, dass pro Tag zwischen 500 und 1000 Patienten kommen um ihre Wunden, Verletzungen und Krankheiten behandeln zu lassen. Häufig sind es schlimme Brandwunden, denn die Armen kochen noch mit kleinen Gaskochern, bzw. sogar mit offenem Feuer. Solche Gaskocher können leicht umfallen und verursachen i.d.R. immer schlimme Brandwunden, die man eigentlich sofort behandeln müsste, jedoch wird aus Geldnot der Besuch beim Arzt unterlassen.

Erste Station ist der Einlassbereich, wo die Hilfesuchenden erst einmal durch Desinfektion und Fiebermessen durchmüssen. Ebenso werden alle Besucher darauf untersucht, dass sie auch entsprechende Mund-Nasenmasken tragen. Falls sie keine haben, werden sie normalerweise abgewiesen, jedoch haben die Schwestern immer für die, die es sich nicht leisten können, Masken auf Vorrat. Um alle Räumer herum sind große Wartebereiche, die die verschiedensten Krankheiten auch voneinander trennen sollen. Im ersten Behandlungsraum steht ein junger Pfleger, der den Patienten eine Ohrspülung verabreicht. Häufig treten durch Schmutz und schlechter Hygiene Ohrerkrankungen auf, die erst nach einer Ohrsprülung untersucht werden können. Es schaut schlimmer aus, als es für die Patienten ist. Erstaunlich, was sich so alles, gerade bei Kindern, im Ohr sammeln kann. Eine jüngere Schwester, Schwester Miriam, zeigt uns ein paar der besonders interessanten „Fundstücke“ wie kleine Perlen etc.

Im anschließenden Untersuchungsraum sitzen bereits auf beiden Stühlen Patienten mit Abszessen und Brandwunden. Die notdürftigen Verbände werden vorsichtig entfernt und anschließend kommt die komplette Behandlung. Sehr wichtig dabei ist die Penatencreme, die extra dafür aus Deutschland importiert wird. Sie hilft bei diesen Wunden am Besten und ist auch nicht durch ein lokales Produkt ersetzbar. Wenn wir dann die Mengen sehen, verstehen wir den regelmäßigen Aufruf an alle Besucher aus Deutschland, doch Penatencreme – egal wieviel – mitzubringen.

Später kommt ein kleines Mädchen – Aisha – mit mehreren komplett zerquetschten Fingern. Er ist zwischen die zufallende Tür gekommen. Schwester Miriam gibt ihr, nachdem sie schon sehr jammert, wenn man nur in die Nähe der Finger kommt ein kleines Bonbon. Aisha ist darüber so erfreut, dass sie kurzfristig ihre Schmerzen der Behandlung vergisst und sich dem seltenen Genuss der Süßigkeit hingibt.

Ein junger Mann kommt herein gehumpelt, sein Fuß ist dick angeschwollen und er kann ihn überhaupt nicht mehr belasten. Berührungen sind wegen der Schmerzen nicht möglich und so schicken ihn die Schwestern mit einem Zettel zur naheliegenden Röntgenklinik. Ob er aber wirklich dort hin geht, ist nicht ganz gewiss – es konnte nicht ganz geklärt werden, dass er überhaupt das notwendige Geld für das Röntgen hat. So geht es weiter wie am Fliessband.

In einem Raum weiter hinten sitzt ein Arzt. Er arbeitet hier, wie mehrere Andere auch, einmal in der Woche ehrenamtlich und untersucht die schwierigeren Fälle. Hier verlangen die Schwestern von denen, wo es möglich ist, einen geringen Obolus. Dieser bemisst sich auf die Machbarkeit und von vielen gibt es kein Geld, da sie selbst nichts haben.

Und immer wieder kommen Menschen zum Versorgen von Wunden. Nicht nur die Brandwunden machen ihnen zu schaffen, häufig auch Infektionen, die durch Verletzungen entstehen, wenn sie z.B. im Müll barfuß nach Wertsachen, Rohstoffen oder nur Essbarem suchen. Verbands- und Pflegematerial gibt es nie genug in der Klinik und so werden die Schwestern erfinderisch.

Die Penatencreme wird mit Vaseline „verdünnt“ und in kleine Töpfchen umgefüllt. Somit entsteht keine Verschwendung durch angefangene Dosen und es können mehr Menschen versorgt werden.

Verschiedenste Tropfen – meist für die Ohren, sowie Salben etc. werden selbst hergestellt. Große Glasflaschen, darunter auch ausgediente Schnapsflaschen, dienen dabei als Aufbewahrungsmittel.

Welch ein krasser Unterschied zu unseren hochtechnischen Arztpraxen und Krankenhäusern. Mit wie wenig Sachen kann man doch so viel Gutes tun!

Alle Materialien, die hier verwendet werden, kommen aus Spenden und Zuwendungen. Normalerweise ist der Weihnachtsmarkt immer ein großer Einnahmefaktor, doch dieses Jahr entfällt er wegen Corona. Die von Schwester Miriam angefertigten wunderschönen Kerzen verkauft Karin zumindest zum Teil gleich am späteren Gottesdienst für die deutsche Gemeinde, doch ist das nur ein wirklich geringer Beitrag zum fehlenden Gesamtbudget.

Vielleicht hat ja jemand der Leser eine Idee, wie man die Firma Penaten dazu bekommen könnte eine größere Menge der Creme kostenlos nach Ägypten zu schaffen, oder auch andere Möglichkeiten für die Anschaffung von Verbands- und Pflegematerialien. Grundsätzlich versuchen die Schwestern, so viel wie möglich auf dem lokalen Markt zu bekommen. Es soll ja schließlich auch die heimische Wirtschaft gefördert werden.

Ganz nebenbei verteilen die Schwestern auch noch gespendete oder gekaufte warme Decken. Es wird Winter und viele der Patientinnen und Patienten können so etwas sich nicht leisten.

Es ist mittlerweile 14 Uhr. Die Klinik hatte 7 Stunden auf, durch Corona kamen auch hier weniger Menschen als sonst, heute waren es nur rund 700, die in diesen Stunden behandelt wurden. 700 mal ein Beitrag zur Menschlichkeit!